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Hans-Jürgen Quadbeck-Seeger über:
Jürgen Wilbert: SinnBilder, erschienen 2019 im Düsseldofer Verlag „edition virgines“
An den in jeder Hinsicht vielfältigen Aphorismen von Jürgen Wilbert haben die Freunde dieser Form von Literatur durch seine Bücher schon lange ihre Freude. Nun hat er wieder einen Band vorgelegt mit vielen neuen und einigen überarbeiteten Aphorismen. Der Titel „SinnBilder“ ist dabei in doppeltem Sinne programmatisch. Er bezieht sich sowohl auf die Aphorismen als auch auf die fotografischen Bilder von Rainald Hüwe, die diesen Band quasi kongenial schmücken und durchgehend begleiten. Ganz anders als die landläufigen Geschenkbücher und Kalender sind es keine idyllischen Blumen und Landschaften, sondern ehrliche, nicht nachbearbeitete Fotografien, in die die Aphorismen optisch und perspektivisch hineinragen. Die lockere Anordnung der Aphorismen lässt nicht nur räumlich, sondern auch gedanklich Spielraum für kontemplative Betrachtung und mitdenkendes Hineinfühlen. Die 40 Kapitel beginnen jeweils mit einem Leit-Aphorismus, dem ein assoziatives Foto zugeordnet ist. Dann folgt eine Doppelseite mit jeweils acht thematisch angeglichenen Aphorismen. Die Schrift ist lesefreundlich groß und dennoch kommen 300 Aphorismen zusammen. Für unsere von Bildern überflutete Zeit liegt hier ein ansprechendes Konzept vor, denn reine Textbücher werden zunehmend als „Wortwüsten“ empfunden. Da Aphorismen-Bücher ohnehin nicht durchgängig gelesen werden, sondern Lektüre für zwischendurch und immer mal wieder sind, ist die hier vorliegende Form durchaus zu empfehlen.
Das Niveau der Aphorismen ist, wie es bei dem Autor zu erwarten war, hoch, ohne jedoch abgehoben oder gar elitär zu sein. Es ist das normale Leben, sozusagen der Alltag, der stets hindurchscheint. Das gilt auch für die Sprache. Eine besondere Stärke des Autors besteht darin, mit einfachen Worten Interessantes, Nachdenkliches oder auch Pfiffiges zu sagen. Auf Modernismen und Fremdwörter verzichtet er geradezu asketisch. Der klare Stil lässt die langjährige Erfahrung in der Erwachsenenbildung erkennen.
Inhaltlich bleibt sich der Autor seiner kritisch distanzierten Betrachtungsweise der Gesellschaft und der Welt treu. Aber er ist kein Zyniker und kein Weltverbesserer, vielmehr bestimmen Ironie und Humor seine Betrachtungen und Gedanken. Hinzu kommen Kreativität und Freude am Wortspiel. So karikiert er die überbordende Bürokratisierung unserer Gesellschaft, wodurch alle Vorhaben nur noch kriechend vorankommen, knapp und präzise: „Der Dienstweg: Teststrecke für den aufrechten Gang“. Selbst an alte, semantisch abgeschliffene Sprichwörter wagt er sich kreativ und sprachspielerisch heran. Aus der Volksweisheit „Durch Schaden wird man klug“ macht er “Viele werden nur durch Scheitern gescheiter“.
Das erste Kapitel trägt den inhaltlich wegweisenden Titel “Aphorismen sind Stolpersteine für landläufige Meinungen“. Nach der Lektüre möchte man ergänzen: „…und gängige Betrachtungsweisen“. Jürgen Wilbert zeigt, dass der Aphoristiker anders denkt und auch Alltägliches anders sieht, wobei ihm Rainald Hüwe optische Hilfe leistet. So ist ein ansprechendes Buch entstanden, dem man weite Verbreitung wünscht. Es ist aus mehreren Gründen zu empfehlen: zum Lesen, zum Nach- und Mitdenken, zur Anregung und vor allem zum Verschenken, denn jeder wird etwas darin finden, was ihn anspricht und anregt, als auch worüber er nachdenken oder lachen wird.
Hans-Jürgen Quadbeck-Seeger Januar 2020
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