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Jürgen Wilbert zu:
Christian Uri Weber: „Gedanken auf Glatteis – Neue Aphorismen und Bilder, Notschriften Verlag, Radebeul 2019. ISBN 978-3-945481-75-2

Der Autor, geboren in Dresden, studierte 1964 bis 1970 Theologie und klinische Psychologie und war ab 1973 beim Aufbau und der Leitung einer Einrichtung des Gesundheitswesens in kirchlicher Trägerschaft tätig. Seit 1984 lebt und arbeitet Weber in Radebeul. Er ist freischaffend als Literat und bildender Künstler tätig und hat Kurzgeschichten, Gedichte und Aphorismen in verschiedenen Verlagen veröffentlicht. In seiner jüngsten Veröffentlichung sind wieder eigene Bilder, schwarz-weiß und farbig, abgedruckt. Das in den Kurztexten aphoristisch beackerte Themenfeld ist breit gefächert: von prinzipiellen Erziehungsfragen bis hin zu aktuellen Problemen des Weltgeschehens. So kritisiert er „Parteien, die gegen Flüchtlinge hetzen“ , denn sie sind für ihn „Trojanische Pferde im eigenen Land; weil sie Leute, die als Freunde kommen, zu Feinden machen.“ (S. 42) Zur Erziehung äußert er sich so: „Die Fehler der Erziehung des ersten Kindes versucht man beim zweiten durch andere zu korrigieren.“ (S. 32) Systemkritisch beklagt er den „Untergang des Abendlandes“: „- die Wegweiser der Kirchtürme werden von denen der Banken abgelöst.“ (S. 44) Die moderne Netzgesellschaft wird von ihm gleichermaßen realitätsnah wie wortwitzig aufs Korn genommen: „Es ist schon mancher verloren gegangen, weil er im Netz seine Heimat fand.“ (S. 44)
Zu seinem ureigenen Themenbereich KUNST / KÜNSTLER sind ihm solche prägnanten Aphorismen eingefallen: „Ein Künstler ist wie eine Kerze – Wachs und Docht sind sein Talent – Inspiration die Flammen.“ (S. 54) „Privatmuseen sind armselige Versuche, sich selbst heilig zu sprechen.“ (S. 56) Nicht immer passen jedoch das Bild und die Texte so gut zusammen wie auf den Seiten 62 und 63: „Das Überraschende am Alter ist, dass man sich selbst näher kommt, als man eigentlich wollte.“ (Beachte dazu die Abbildung „Die Kunst, Verborgenes zu sehen“)
Auch wer das Themenfeld der zwischenmenschlichen Beziehungen favorisiert, kommt mit Webers Aphorismen-Bändchen auf seine Kosten: „Es gibt so innige Liebesbriefe, als hätte sie der Absender an sich selbst geschrieben.“ (S. 4) Das Thema des Alterns wird ebenfalls selbstironisch, aber gleichsam mit Augenzwinkern kommentiert: „Kein Tag geht an uns vorüber, immer durch uns hindurch.“ (S. 6) Ein meines Erachtens eher gewöhnungsbedürftiges Bild wählt er im folgenden Notat: „Um nicht zu vergessen, wer wir sind, sollten wir die Nabelschnur ständig um den Hals tragen.“ (S. 16) Etwas vereinfachend kommt dieser Aphorismus daher: „Die Welt ist nicht krank – nur ihr Geist ist gestört.“ Und rein wortwitzig, ja kalauernd ist dieser Satz zu verstehen: „Für die einen sind es Gedankensprünge – für die anderen ein Sprung in der Schüssel.“
Was die Bildauswahl betrifft, so fallen manche S-W-Zeichnungen – etwa die auf den S. 9, 21, und 37 – doch ab im Vergleich zu den ausdrucksstarken farbigen Abbildungen z. B. auf den S. 7, 27 und vor allem zu dem Titelbild „Wirrwarr“ auf dem Cover. Für den Schreibenden wie Lesenden besonders wohltuend, da entlastend, ist diese aphoristische Definition: „Perfektion ist der Versuch, Anerkennung zu erzwingen.“ (S. 16) Am Ende des Buches auf S. 58 finden wir diverse denkwürdige Sinnsprüche zum Thema RELIGION, hier nur zwei Beispiele: „Eine fehlende Religion ist wie eine Amputation – die meisten suchen sich Prothesen.“ / „ Im Zweifel – für den Glauben.“
Mit diesem Aphorismus (S. 32) wagt Weber einen eher düsteren Blick in die Zukunft: „Unsere Kinder sollten es in Zukunft besser haben – jetzt haben sie es besser, aber die Zukunft hat sich verabschiedet.“
Das ansprechend gestaltete Bändchen umfasst 65 Seiten und ist 2019 im Radebeuler Verlag „NOTschriften“ erschienen (www.notschriften.com).

JWD / 17.02.20

 

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